Erhard Bayer

Den Leuten aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden

Erhard Bayer leitete 33 Jahre lang die Landkreis-Redaktion der PNP − Er hat die Region nicht nur journalistisch begleitet, sondern auch mitgeprägt

Von Stefan Dorner

Passau. Eine Gebietsreform, vier Landräte, unzählige Kommunalwahlen und hunderte Sitzungen im Landratsamt hat Erhard Bayer (79) miterlebt. Er war 33 Jahre lang Leiter der Landkreis-Redaktion: von seinem ersten Tag bei der Passauer Neuen Presse bis zum Ruhestand 1992. Bayer hat über alle Höhen und Tiefen im Passauer Land geschrieben und so die Region auch mitgeprägt. „Ich habe immer versucht, den Leuten aufs Maul zu schauen, aber ihnen nicht nach dem Mund zu reden und die Dinge so darzustellen, wie sie sind", betont Bayer. Für seine Arbeit erhielt er zum 30-jährigen Dienstjubiläum 1989 den Landkreis-Ehrenring. „Es war für mich schon sehr überraschend", erinnert er sich daran. „Schließlich war ich ja journalistisch noch aktiv. Wenn überhaupt, bekommt man doch solche Auszeichnungen erst, wenn man sich beruflich verabschiedet hat." Der Kreistag und der damalige Landrat Baptist Kitzlinger waren anderer Meinung: Sie würdigten damit die Leistung eines Mannes, der zwar im Landratsamt ein und aus ging, jedoch nie zu einem „Hofberichterstatter" wurde.

Immer kritisch, aber stets objektiv und fair verfasste er seine Artikel. Bayer ließ sich nicht vor einen Karren spannen. „Auch wenn mancher Politiker versucht hat, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Aber das dürfte heute kaum anders sein", glaubt er. Bayer bewahrte sich immer die nötige Distanz. Bester Beweis dafür: Vor allem während des Wahlkampfs kam oft zeitgleich aus allen politischen Lagern der Vorwurf, dass er für die jeweils anderen parteiisch sei.

Verleger Dr. Hans Kapfinger lockte den gebürtigen Egerländer vom Regensburger „Tagesanzeiger", bei dem er das journalistische Handwerkszeug erlernte, donauabwärts. Am 1. Juli 1959 trat er seinem Dienst an − und ist seinem Posten treu geblieben. Einmal bot ihm Kapfinger eine andere Stelle an, die sogar einen Aufstieg bedeutet hätte. „Na, das passt schon so wie es ist", antwortete Bayer damals. „Mich hat auch nie etwas anderes gereizt", sagt er heute.

Und so wurde Bayer der Kreisredakteur, der zu Passau gehörte wie die Landräte selbst. Er hielt das politische Wirken von Hans Karl, Fritz Gerstl, Baptist Kitzlinger und Hanns Dorfner in der Zeitung fest, sparte nicht mit Kritik, wenn er es für nötig und richtig hielt. „Da hat es schon einige Diskussionen gegeben, aber solche Dinge gehören dazu."

Doch nicht nur die Politik lag Bayer am Herzen. Er mochte und schätzte auch die Leute, für die er den Lokalteil machte. Und er leistete gerade in der Zeit der umstrittenen Gebietsreform Anfang der 70er Jahre, die viele als Zwangs-Enteignung empfanden, wertvolle Überzeugungsarbeit für den neuen Groß-Landkreis Passau. „Er trat auch dann dafür ein, als von allen das Nicht-Funktionieren vorausgesagt wurde", steht in der Begründung für den Ehrenring. Bayer erzeugte durch seine Berichte in der emotional und finanziell schwierigen Anfangsphase „keine Untergangsstimmung, sondern verbreitete Zuversicht". Die schwappte auch auf viele skeptische Bürger über.

Groß in den Mittelpunkt stellen wollte und will Bayer seine Arbeit aber nicht. Er ist bescheiden geblieben und vergaß nie die „kleinen Leute". Er sah sich als deren Anwalt. Dafür bedachten ihn der Bauernverband, der Verein für Gartenbau und Landespflege, die Feuerwehr, der VdK und der Soldaten- und Kriegerbund mit hohen Auszeichnungen. Auf den Landkreis-Ehrenring ist Bayer sichtbar stolz. Er trägt ihn immer an seiner Hand. Bestimmt auch im April, wenn er seinen 80. Geburtstag feiert mit seiner Frau Inge und mit seinem Sohn Florian (29), der an der Martin-Luther-Universität in Halle an der Saale als Diplom-Kaufmann arbeitet. Das kommunalpolitische Geschehen verfolgt er heute noch mit großem Interesse − und auch, was aus „seiner" Zeitung geworden ist. „Natürlich kann man vieles kritisieren. Das war aber früher auch schon so. Doch man muss zugeben, dass einiges besser geworden ist: die Aufmachung mit den großen Bildern und dicken Überschriften. Und auch, dass die Artikel nicht mehr so lang sind", meint Bayer. Einzig der Computer war ihm suspekt. Als in den letzten Jahren seines Wirkens die Kollegen schon am PC arbeiteten, vertraute Bayer lieber seiner guten, alten Schreibmaschine.

Kreisredakteur a.D. und Hobbykoch mit FernwehTäglich liest er die PNP allerdings nicht mehr. Seit seiner Pensionierung hat Bayer das große Fernweh gepackt. Er hat sein Haus in Passau-Hals gegen eine Wohnung in Grubweg getauscht und verbringt mit der Ehefrau viel Zeit auf Fuerteventura bei seiner Schwester. „Ich mag den Winter nicht", sagt Bayer mit einem verschmitzten Lächeln. „Am 20. Januar hau’ ich schon wieder ab in den Süden." Im Sommer ist er meist am Waginger See, wo sein Wohnwagen steht. Doch hier wie dort geht er seinem großen Hobby nach, das er erst im Ruhestand entdeckt hat: Der Kreisredakteur a.D. ist nämlich jetzt begeisterter Hobbykoch.