Kurze Siedlungsgeschichte des Passauer Landes
Faustkeile und sonstige Steinartefakte belegen unmissverständlich, dass Menschengruppen bereits vor mehr als 300.000 Jahren im Passauer Land an den Flüssen Donau, Vils und Rott unterwegs waren.
In der letzten Eiszeit, die etwa von 110.000 bis 10.000 vor heute angesetzt wird, hielten sich sowohl Neandertaler, wie auch moderne Menschen in dieser Landschaft auf. Der Neandertaler jagte vor rund 50.000 Jahren zeitweise in den Wäldern nördlich der Donau, wie mehrere scharfkantige Silexblattspitzen seiner Speere aus Vilshofen-Albersdorf bezeugen.
Der moderne Mensch hingegen war vor ca. 25.000 bis 12.000 Jahren zumeist an der Donau und dessen südlichen Zuflüssen unterwegs. Dabei hinterließen Mammut- und Rentierjäger an einem Ufer der Wolfach bei Vilshofen eine der größten Fundstellen Europas in der ausgehenden Eiszeit.
Zu Beginn der Jungsteinzeit, um ca. 5700 v. Chr. kamen die ersten Ackerbauern ins Passauer Gebiet. Sie bewohnten zusammen mit ihrem Vieh große, längliche Holzbauten in dorfähnlichen Ansiedlungen. Wegen der verzierten Tongefäße die sie schufen, werden sie heute Bandkeramiker genannt. Ihnen folgten im 5. Jahrtausend v. Chr. weitere Einwanderer, die sich in den fruchtbaren Landstriche südlich der Donau niederließen und gleichfalls als versierte Keramiker galten.
Entsprechende Siedlungsspuren gibt es bei Asenham, Euling, Heigerting und Rosenberg (Ruhstorf a.d.Rott), in Burgdobl und Bad Höhenstadt (Fürstenzell), Gainstorf, Kriestorf und Walchsing (Aldersbach), Aunkirchen und Schönerting (Vilshofen an der Donau) oder in Maierhof (Rotthalmünster).
Ende des 4. Jahrtausends wird das höher gelegene Waldgebiet links der Donau durch Hirtenstämme der sogenannten Chamer Kulturgruppe besiedelt. Fundstücke dieser Zeit wie geschliffene Steinbeile oder Tonkeramik sind aus in Saxing (Markt Untergriesbach), Buchsee (Gemeinde Thyrnau), Weiding (Gemeinde Neukirchen vorm Wald), Götzing (Gemeinde Tiefenbach), Zwölfling (Gemeinde Thyrnau), Innerhartsberg (Stadt Hauzenberg) oder Diendorf (Markt Untergriesbach) bekannt.
Noch im 3. Jahrtausend v. Chr. setzt sich in Mitteleuropa die Bronzelegierung durch und auf geschützten Anhöhen entlang der größeren Flüsse entstehen kleine Siedlungen, wo Handwerk und Handel betrieben werden. Hinweise aus der Gegend gibt es bei Hofkirchen, Malching-Einsiedelbuckel, Pleinting-Spitzdobel (Vilshofen an der Donau), Rottersham (Ruhstorf a.d.Rott), Gerading (Windorf), Wulzing (Salzweg), Oberdiendorf (Hauzenberg) oder Gotting (Untergriesbach). Die Toten der oberen Schicht wurden samt ihrer wertvollen Beigaben in großen Grabhügeln bestattet, die heute als älteste sichtbare Bodendenkmäler gelten. Solche Überreste sind noch in den Wäldern bei Safferstetten (Bad Füssing), Hader (Ruhstorf a.d.Rott), Kleeberg (Beutelsbach), Hinteröd (Kirchham) oder Gelbersdorf (Hofkirchen) teilweise erhalten.
Um 1200 v. Chr. kommen kriegerische Stämme ins Land. Es war die sogenannte Urnenfelderzeit, als die Verstorbenen nach dem rituellen Band in großen Urnen beigesetzt wurden. Bekannt ist diese Epoche auch für ihre zahlreichen Bronzewaffen, die als Flussgaben den Göttern geopfert wurde.
Nahezu 500 Jahre später wird in Mitteleuropa die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens eingeführt. Indizien aus dieser Zeit sind im Passauer Raum lediglich vereinzelt vorhanden. Dennoch wurden im Sommer 2004 bei einer Magnetprospektion in Rotthof, (Ruhstorf a. d. Rott) die Umrisse eines sogenannten hallstattzeitlichen Herrenhofes entdeckt.
Wenige Jahrhunderte danach werden die örtlichen Siedler als Kelten genannt. Ihre Spuren können sowohl im landwirtschaftlich geprägten Süden, wie auch im nördlichen Waldgebiet nachgewiesen werden. Sie stellten als erste Europäer Keramikgefäße auf der Drehscheibe her und erhöhten deren Hitzebeständigkeit durch die Zugabe von Graphit aus der Kropfmühler Gegend. Zugleich waren die Kelten ausgezeichnete Metall- und Glashersteller. Ein eimaliger Bronzeanhänger aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. aus Pocking belegt beispielhaft diese Handfertigkeit.
Die Kelten sind zugleich die Erbauer der sogenannten Viereckschanzen. Anlagen dieser Art findet man heute in den Wäldern bei Beutelsbach, Eglsee (Neuburg a.Inn), Pörndorf (Aldersbach) oder Würding (Ortenburg). In den landwirtschaftlichen Flächen hingegen sind ihre Spuren weitgehend verschwunden. Dennoch konnte die Archäologie in einem Ackerfeld zwischen Hartkirchen und Inzing (Pocking) eine der größten Keltenschanzen Bayerns aus der Luft entdecken und Mitte der 1990er Jahre mustergültig ausgegraben.
Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. gerät Ostbayern unter Roms Herrschaft. Durch die starke militärische Präsenz an der Donaugrenze (limes) entstanden im Hinterland, an den wichtigen Verkehrsverbindungen, ländliche Gutshöfe (villae rusticae) und kleine Dorfniederlassungen (vici). Einen solchen Ort gründen gegen Ende des 1. Jahrhunderts eingewanderte Handwerker und Händler an einer Straßenkreuzung bei Pocking.
Bei Ausgrabungen der Kreisarchäologie Passau zwischen 1990 und 1994 konnten die Lebensumstände jener Bewohner eingehend dokumentiert werden. Wichtigste Einnahmequelle waren hier das Töpfereihandwerk und der Handel mit Importwaren. Nach einer relativen Blütezeit begann gegen der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. der Zerfall des römischen Staates. Es waren unsichere Zeiten, in denen so mancher Siedler aus Angst sein Hab und Gut versteckte.
Ab dem 5. Jahrhundert bildet sich in Ostbayern der Bajuwarenstamm. Neue Siedlungen werden gegründet und Friedhöfe angelegt. Sie enthalten in Reihen geordnete Körperbestattungen, die nach damaliger Sitte wertvolle Beigaben enthalten: Schmuck, Waffen und Keramik. Solche Reihengräberfelder sind aus Inzing (Pocking), Pocking-Schlupfing (Abb. 12), Pleinting (Vilshofen an der Donau), Holzhäuser, Aigen a.Inn, Safferstetten (Bad Füssing), Kirchham oder Sulzbach a.Inn (Ruhstorf a.d.Rott) bekannt.
Ab dem 7./8. Jahrhundert verbreitet sich im bisher bäuerlich strukturierten Land das Christentum mit seinen vielfältigen Einflüssen im gesellschaftlichen Leben. Neue Erwerbsmöglichkeiten stärken den Raum und treiben zugleich die Besiedlung des Vorwaldgebietes voran. Dabei entstehen vielfach Adelssitze, Klöster sowie Märkte und Dörfer, die das Bild der neuen mittelalterlichen Gesellschaft wiedergeben.
Walter Wandling M.A., Kreisarchäologe