Krankenhausreform: Landräte schlagen Alarm
Lkr. Passau/Niederbayern. Bei Umsetzung der vom Bundesgesundheitsministerium vorgesehenen Krankenhausreform entsteht ein Zweiklassen-System mit klarer Benachteiligung der Menschen im ländlichen Raum gegenüber Ballungsräumen. Das stellen die Landräte der Landkreise Freyung-Grafenau, Deggendorf, Straubing-Bogen und Passau fest, wobei erstmals konkrete Zahlen der zu erwartenden Patienteneinbußen vorgelegt wurden.
Die Situation in den vier Landkreisen steht exemplarisch für die Lage in ländlichen Regionen. Neben den katastrophalen Auswirkungen auf die Krankenhäuser, die mehr als 60 bis 70 Prozent ihrer Patienten verlieren würden, hätte die Reform auch ebenso einschneidende Folgen für die Menschen und den Wirtschaftsstandort: Nach Berechnungen der Kreiskliniken im Landkreis Passau und im Landkreis Straubing-Bogen würde die Reform angesichts des dramatischen Patientenschwunds mindestens die Hälfte der heimatnahen Arbeitsplätze für das Krankenhauspersonal in Gefahr bringen. Die Ausdünnung der Klinikversorgung hätte zudem unabsehbare Folgen für die Gesundheitsbranche insgesamt und für Zuliefer- und Versorgungsunternehmen. Am deutlichsten würde die Reform also die Patientinnen und Patienten treffen, die künftig bei einer ganzen Reihe von Krankheitsbildern (siehe Zahlenbeispiele) auf Großkliniken in Passau, Deggendorf, Straubing, Landshut oder Regensburg angewiesen wären und damit lange Anfahrten und lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssten. Unausweichliche Folge, da die großen Kliniken auf Jahre hinaus diesen Ansturm nicht bewältigen können: Priorisierung der Behandlung etwa nach dem Alter der Patientinnen und Patienten. Am Beispiel der Kliniksituation im Landkreis Freyung-Grafenau wurde dabei auch der Teilaspekt der Geburtshilfe beleuchtet: Über 400 Gebärende müssten bei Wegfall dieser Leistung erheblich weitere Wege auf sich nehmen, wobei aktuell gar nicht absehbar sei, in welchen Krankenhäusern diese Geburten dann stattfinden sollten.
Für Landrat Sebastian Gruber (Freyung-Grafenau), sind diese Aussichten für den ländlichen Raum nicht akzeptabel. Die Ungleichbehandlung zur üppigen Versorgungslage in Ballungszentren führe zu einer Zweiklassen-Medizin und sei ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die hier „bei uns leben, arbeiten, fleißig sind und im übrigen ebenso zur Finanzierung unseres Gesundheitssystems beitragen, wie alle anderen“. Der Passauer Landrat Raimund Kneidinger – sein Landkreis zählt zu den flächengrößten und mit fast 196.000 Einwohnern bevölkerungsreichsten in Bayern – hält die Zeit „für Sorgenfalten und Brandbriefe vorbei, sondern jetzt reden wir Klartext. Noch nie hätte uns eine Reform derart hart getroffen. Wir müssen sie mit allen Mitteln verhindern“. Der Deggendorfer Landrat Bernd Sibler erwähnte vor allem die bislang wenig in der Öffentlichkeit thematisierte Gefahr für das Rettungswesen auf dem Land. Weniger Krankenhäuser oder Häuser mit deutlich eingeschränktem Leistungsspektrum bedeuteten längere Fahrtwege und mehr Fahrten. Gleichzeitig stünden aber aufgrund Klinikschließungen noch weniger Krankenhausärzte als Notärzte zur Verfügung, als dies bisher schon der Fall sei.
Resolutionen für eine sinnvolle Reform und gegen die Überlegungen des Bundes wurden bereits verabschiedet (z.B. im Passauer Kreistag) bzw. sind in weiteren Landkreisen auf dem Weg. Wichtig sei, so Landrat Josef Laumer (Straubing-Bogen), jetzt die konkreten Auswirkungen auf die Menschen darzustellen. Heimatnahe Gesundheitsversorgung sei ein extrem wichtiger Standortvorteil, das Krankenhaus in der Nähe gehöre zur „Seele des ländlichen Raums. Es schaffe Sicherheit und Vertrauen“.