Alle Chancen des Medizin-Campus nutzen
Der Medizincampus Niederbayern und mögliche finanzielle Zusatzbelastungen der Kommunen durch Leistungen für Ukraine-Kriegsflüchtlinge standen im Mittelpunkt der Tagung des Bezirksverbands Niederbayern des Bayerischen Landkreistages.
Mit der Universität Passau als „verlässlichen Partner der Region“ ist nach Ansicht des Bezirksvorsitzenden, Landrat Sebastian Gruber (Freyung-Grafenau), der Medizin-Campus Niederbayern eine „große Zukunftschance und mittelfristig ein unschätzbarer Beitrag gegen den Ärztemangel gerade im ländlichen Raum“. Im Rahmen der Tagung im Kloster Aldersbach (Landkreis Passau) machten die Landräte bzw. die Landrätin der neun Landkreise deutlich, dass eine akademische Medizinerausbildung in Niederbayern mit einer enormen Stärkung des Standorts verbunden sei und in ihrer standortübergreifenden Struktur neue Maßstäbe setze. Dies unterstrich auch der Präsident der Universität Passau, Prof. Dr. Ulrich Bartosch, der zu Gast im Kreise der niederbayerischen Landräte war. Er informierte die Landräte über die Rolle der Universität. Das Konzept für einen Medizincampus mit den Kliniken in Niederbayern basiert insbesondere auch auf einer engen Zusammenarbeit der Universität Regensburg mit der Universität Passau – hier vor allem im digitalen Bereich – und mit der Technischen Hochschule Deggendorf. Die 110 neu hinzukommenden Studierenden der Humanmedizin werden an der Universität Regensburg eingeschrieben sein und den klinischen Teil ihrer Ausbildung an den Kliniken in Passau, Deggendorf, Landshut und Straubing absolvieren. Sebastian Gruber forderte als Sprecher seiner Kollegen bei der weiteren Entwicklung des Campus „größte Transparenz und Einbindung der niederbayerischen Landkreise“ mit einem klaren Blick auf die Kliniken und die Versorgung in der Region. Dabei gehe es um alle Häuser, nicht nur an den Standorten Passau, Deggendorf, Landshut und Straubing. Gerade die Option der regionalen Vernetzung sei der große Vorteil des Campus-Konzepts.
In Ergänzung zum Medizincampus Niederbayern und somit zur klassischen Medizinerausbildung hat die Universität Passau, die Technische Hochschule Deggendorf sowie die Hochschule Landshut gemeinsam ein Konzept erarbeitet, mit dem Ziel, ein dezentrales Versorgungsnetzwerk zu schaffen. Dieses Konzept berücksichtigt vor allen Dingen die kleinen Häuser in den Landkreisen und beinhaltet u.a. die integrierte Entwicklung von medizinischen Assistenzberufen (Pflege, Physician Assistant, Physiotherapie, Hebammen, Rettungsassistenz etc.). Gruber verdeutlicht. „Aus Sicht der niederbayerischen Landkreise ist es zwingend notwendig, dass der Freistaat Bayern auch für dieses Konzept grünes Licht gibt. Ansonsten geraten wir ins Hintertreffen, was zu einer strukturellen Gefährdung der stationären Gesundheitsversorgung in der Fläche führen kann.“
Gruber: „Der erste Schritt ist gemacht, jetzt brauchen wir alle Informationen, um im zweiten Schritt unsere regionalen Klinikstandorte einzubinden.“ Letztlich gehe es um die bestmögliche medizinische Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum, meinte dazu der Passauer Landrat und Gastgeber der Tagung Raimund Kneidinger. Neben Forschung und Lehre müsse der Medizin-Campus auch diesen Anspruch erfüllen. Keinesfalls, so die Warnung Kneidingers, dürfe die Campus-Idee zu einem Wettbewerbsnachteil für kleinere Krankenhäuser führen. Gerade diese stellen die flächendeckende Grundversorgung sicher, mit großem Aufwand durch die Landkreise als Klinikenträger.
Breiten Raum in der Diskussion der Landräte nahmen die Herausforderungen des Ukraine-Kriegs ein. Zentral ging es dabei um die Neustrukturierung der Leistungen für die Kriegsflüchtlinge. Bislang erhielten sie Leistungen im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes, jetzt haben sie Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bzw. werden über die Job-Center betreut. „Die niederbayerischen Landkreise haben, gemeinsam mit ihren Jobcentern den Wechsel bestmöglich vorbereitet. Das war angesichts der sehr späten Entscheidung und der sehr spärlichen Informationen durch den Bund nicht einfach“, so Gruber. Um hier keine Mehrkosten für die Kommunen entstehen zu lassen, formulierten die Landräte eine klare Forderung an den Bund: Die Kosten u.a. für die Unterkunft dürfen nicht die Landkreise belasten. Landrat Gruber wurde hier konkret: „Wir warnen davor, staatliche Leistungen gleichsam zu kommunalisieren.“