Mitwirkung im Verfahren vor dem Jugendgericht, Jugendgerichtshilfe
Das Strafrecht in Deutschland sieht für Jugendliche und junge Volljährige spezielle strafrechtliche Bestimmungen vor, die sich daran orientieren, ob es sich bei der Straftat um einmalige delinquente Verhaltensweisen oder um Anzeichen einer beginnenden massiveren Fehlentwicklung innerhalb der Persönlichkeitsentwicklung des Delinquenten handelt, beziehungsweise ob bereits manifeste Störungen der Sozialentwicklung und des Sozialverhaltens festzustellen sind.
Um diese entwicklungspsychologischen und sozialpädagogischen Aspekte und Kriterien angemessen berücksichtigen zu können, wurde mit dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) ein dafür abgestimmtes Jugendstrafrecht entwickelt.
Nach dem Strafgesetzbuch (StGB) wird beurteilt, ob eine Straftat tatsächlich vorliegt.
Die daraus resultierenden Konsequenzen für junge Delinquenten werden aus der differenzierteren und pädagogischen Reaktionspalette des JGG gezogen und können somit dem jungen Menschen alters- und entwicklungsadäquat angepasst werden.
Auf der Grundlage des § 105 JGG hat das Jugendgericht unter Einbeziehung einer gutachtlichen Stellungnahme der öffentlichen Jugendhilfe in Form eines Jugendgerichtshilfeberichts zu prüfen und zu entscheiden, ob bei den jungen erwachsenen Delinquenten Reifeverzögerungen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung existieren beziehungsweise nicht ausgeschlossen werden können und ob dementsprechend das Jugendgerichtsgesetz (JGG) oder bereits das allgemeine Strafrecht nach dem Strafgesetzbuch (StGB) Anwendung finden.
Die öffentliche Jugendhilfe als sozialpädagogische Fachbehörde hat in Verfahren nach dem JGG mitzuwirken (vgl. § 52 Abs. 1 SGB VIII).
Die Mitwirkung beinhaltet folgende sozialpädagogischen Kriterien und besteht aus folgenden Komponenten:
- Kontaktaufnahme mit den Delinquenten und dessen Familie und Prüfung der Indizierung von sozialpädagogischen oder therapeutischen Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe nach dem SGB VIII,
- sozialpädagogische Beratung und Unterstützung der Delinquenten und der Personensorgeberechtigten während des gesamten Verfahrens,
- Entscheidungshilfen für die Staatsanwaltschaft und das Jugendgericht in allen Phasen des jugendgerichtlichen Verfahrens durch Informationen über pädagogische, sozialpädagogische, therapeutische und sonstige jugendhilferelevante Aspekte und
- Übernahme gerichtlich angeordneter Betreuungsaufgaben.
Die Jugendgerichtshilfe ist sozialpädagogische Hilfe für junge Delinquenten und zugleich sozialpädagogische Unterstützung des Jugendgerichts und der Staatsanwaltschaft.
Die Jugendgerichtshilfe lässt sich durch folgende vier zentralen Funktionen charakterisieren:
- die Funktion der Ermittlungshilfe,
- die Funktion der Diagnose- und Prognosehilfe,
- die Überwachungsfunktion und
- die Funktion der Resozialisierungshilfe.
Die Jugendgerichtshilfe ist verpflichtet und berechtigt, durch die ihr rechtlich zugestandenen Instrumente und Methoden der psychosozialen Berichterstattung und Stellungnahme sozialpädagogischen Einfluss auf Strafverfahren mit Beteiligung Jugendlicher und junger Volljähriger zu nehmen und die jugendrichterlichen Ahndungen und Verurteilungen an sozialpädagogischen Kriterien und Notwendigkeiten fachlich auszurichten und zu orientieren.
Die Informationen und inhaltlichen Angaben des Jugendgerichtshilfeberichts dienen als sozialpädagogische Grundinformationen für das Jugendgericht und die Staatsanwaltschaft im Rahmen des jugendgerichtlichen Verfahrens.
Der Jugendgerichtshilfebericht beinhaltet diejenigen sozialpädagogischen Fakten und Bewertungen, die Jugendrichter und Staatsanwälte zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.
Er muss trotz einer transparenten Trennung zwischen Fakten und Bewertungen die notwendigen sozialpädagogischen Schlussfolgerungen enthalten, die Staatsanwaltschaft und Jugendgericht in juristische Schlussfolgerungen und Entscheidungen umsetzen können.
Die öffentliche Jugendhilfe sollte im Rahmen des Jugendgerichtshilfeberichts bewerten, welche Anteile der Persönlichkeit des Delinquenten altersgemäß entwickelt, welche gegebenenfalls retardiert, welche akzeleriert sind, und die Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten beurteilen.
Wurden Entwicklungsstörungen und psychosoziale Auffälligkeiten festgestellt, so soll ihre Entstehung geklärt werden, um die Verbindung zwischen dem Verhalten des Delinquenten und den Entwicklungsbedingungen und der derzeitigen Lebenssituation transparent und erklärbar zu machen.
Die sozialpädagogische Diagnostik der relevanten Persönlichkeitsmerkmale, der aktuellen Lebensbedingungen, der psychischen Verfassung der jungen Menschen und der situativen Umstände zum Tatzeitpunkt (beispielsweise Alkoholkonsum, Affektivität, Beziehung zum Opfer) soll mit dem Ziel erfolgen, eine Einordnung und individuelle Bewertung der delinquenten Handlung zu ermöglichen.
Auf der Grundlage der §§ 3 und 105 JGG sollte der Jugendgerichtshilfebericht auch sozialpädagogische Äußerungen und diagnostische Einschätzungen zur Frage der Verantwortlichkeit und Verantwortungsreife des Jugendlichen oder jungen Volljährigen enthalten.
Eine Sozialprognose über die weitere Entwicklung des jungen Menschen sollte ebenfalls enthalten sein.
Die Jugendgerichtshilfe muss die Zielsetzung verfolgen, den jungen Menschen neue oder alternative Perspektiven zu eröffnen und zu einer künftigen straffreien Lebensführung ihren sozialpädagogischen Beitrag leisten.
Landratsamt Passau - Kreisjugendamt SG 35
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